77 Stunden auf Sardinien

Ein Reisebericht

Sardinien in siebenundsiebzig Stunden. Zugegeben, das ist nicht lang. Genügt die Zeit, um einen Eindruck von der Insel zu bekommen? Ich glaube schon. Zumindest für mich. In Kurzform heißt das: Anreise mit dem Fährschiff von Genua nach Olbia, zweiter Tag: Sassari und Golfo die Aranci, dritter Tag: Cagliari, vierter Tag: Rückreise mit dem Fährschiff von Olbia nach Livorno.

Aber lassen Sie mich die Langform erzählen.Es ist ein Donnerstag Anfang September. Die Reise beginnt in Zürich um acht Uhr morgens am Hauptbahnhof. Mit meinem Rucksack steige ich den Eurocity der SBB (Schweizer Bundesbahn) nach Mailand. Auf der App der SBB wird eine tiefe Belegung des Zuges angezeigt, was aber nicht den Tatsachen entspricht: Der Zug ist sehr voll. Dies ist aber nicht weiter schlimm, denn ich habe einen festen Sitzplatz. Eine Pflicht zur Platzreservierung besteht für Fernzüge, die zumindest einen Teil der Strecke durch Italien fahren. Der Gotthard-Tunnel ist wegen eines Unfalls längerfristig gesperrt und so nimmt der Zug den zwar etwa eine Stunde längeren aber landschaftlich schöneren Weg über die Passhöhe. Mit kleiner Verspätung in Mailand angekommen, geht es mit dem Frecciarossa, der dem deutschen ICE entspricht, weiter bis Genua. Kurz vor fünfzehn Uhr begrüßt mich auf dem Genueser Bahnhofsvorplatz Christoph Kolumbus, auf dem Sockel seines Denkmals stehend. Der Weg zum Hafen ist etwa zwei Kilometer lang. Ich habe noch genügend Zeit bis zur Abfahrt des Schiffes und so schlendere ich, parallel zu einer Hauptverkehrsstraße, von Straßenlärm und Abgasen begleitet zum Terminal. Ich hole mir meine Bordkarte, muss aber bis zum Einchecken noch eine Dreiviertelstunde warten. Die Zeit überbrücke ich mit dem Verzehr eines Sandwichs, dem Trinken eines Biers und eines Espressos.

Dann ist auch schon die Zeit gekommen an Bord zu gehen. Die Kabine, welche ich für mich allein gebucht habe, hat ein kleines Badezimmer mit Dusche und links und rechts des Fensters jeweils ein festes und ein darüber liegendes Ausklappbett und bietet somit Schlafplatz für vier Personen. Jetzt ist es allerdings noch viel zu früh, um ins Bett zu gehen. Die zahlreichen Bars und Restaurants an Bord laden zum Trinken oder Speisen ein. Vom Außendeck sehe ich die Sonne ins Meer versinken, genehmige mir in einer der Bars – in Vorfreude auf den Besuch der Insel – ein sardisches Bier und lege mich dann schlafen.

Die Ankunftszeit in Olbia ist mit sechs Uhr morgens prognostiziert. Dann kann ich ja bis viertel vor sechs schlafen, denke ich mir. Doch weit gefehlt. Ab viertel vor fünf ertönen aus dem blechernen Kabinenlautsprecher mehrere Weckrufe, die ein Weiterschlafen verhindern. Nach mehreren Weiterschlafversuchen kapituliere ich, packe meinen Rucksack und gehe hoch in eines der Restaurants. Dort trinke ich einen Espresso und erwarte das Anlegen des Fährschiffs in Olbia.

Kurz nach sechs betrete ich in der Morgendämmerung die Insel.

(Fortsetzung folgt)

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