Von Benediktbeuern zur Benediktenwand

Ein Wanderbericht

„Da kannst net sitzenbleiben, des is der Stammtisch.“ Das ist wirklich nicht der Satz, den ich – müde in den Beinen und im Kopf – hören will, nachdem ich elf Stunden unterwegs gewesen bin und mich in der Tutziger Hütte auf das vor mir stehende Weizenbier freue.

Doch alles der Reihe nach. Es ist zwar schon September, doch der Sommer zeigt sich immer noch von seiner besten Seite. In ganz Deutschland werden für die gesamte kommende Woche Tageshöchsttemperaturen von um die dreißig Grad erwartet. Donnerstags um sieben Uhr stehe ich auf, meinen Rucksack habe ich schon am Vorabend weitgehend gepackt. Ein paar Sachen, die ich noch auf meine erste Wanderung als neues Mitglied im Deutschen Alpenverein mitnehmen könnte, fallen mir noch ein. Ich wiege den Rucksack nicht, aber so schwer war er noch nie, denke ich mir, als ich um kurz vor acht das Haus verlasse und zur Bushaltestelle gehe. Die Fahrt zum Mainzer Hauptbahnhof dauert eine knappe halbe Stunde. Den Intercity erreiche ich bequem, dann Umsteigen in Mannheim in den ICE nach München, wo ich kurz vor dreizehn Uhr aussteige. Mit der Werdenfelsbahn geht es dann noch etwa eine Stunde weiter. Um 14:04 Uhr bin ich dann in Benediktbeuern. Die Klimaanlagen in allen drei Zügen haben gute Arbeit geleistet, und so schlägt mir jetzt die volle Mittagshitze entgegen. Aber da muss ich jetzt durch. 

Auf der Bahnfahrt habe ich mir schon einen Gasthof heraus gesucht, wo ich mich vor Beginn der Wanderung stärken will. Ich laufe einige Minuten, immer so viel Schatten wie möglich suchend,  die Bahnhofstraße entlang, überquere die Hauptstraße und sehe auch schon den Gasthof zur Post. „Die Küche hat ab zwei geschlossen“, schallt es mir entgegen, als ich die beiden Mädchen, die arbeitslos am Eingang stehen, frage, ob ich was zu essen haben könne. Auch einige Meter weiter im nächsten Gasthof habe ich kein Glück. „Na gut, soll halt nicht sein“, denke ich mir, drehe um und laufe zum örtliche Supermarkt zurück, den ich vorhin schon gesehen habe. Dort besorge ich mir ein Brötchen, oh – es fällt mir noch rechtzeitig ein – eine Semmel mit Schweinsbraten und zwei Becher Ayran. Sitzgelegenheiten zum letzen stilvollen Speisen vor der Berghütte gibt es weder im noch vor dem Supermarkt. So gehe ich schon einmal durch den Ort in die Richtung, wo  die Wege zur Tutziger Hütte beginnen. Auf einem Nebengebäude des Gasthofes zur Post sehe ich ein Fresco, auf dem ein stattlicher Mann eine Kutsche entsteigt und von einem Mädchen mit einem Blumenstrauß begrüßt wird. Daneben steht: Goethes Rast anno 1786. Ich habe mich informiert und jetzt weiß ich, dass Goethe am 6. September 1786 in Benediktbeuern Rast machte und sich folgendermaßen geäußert hat: „Benediktbeuern liegt köstlich und überrascht beim ersten Anblick.“ Ist dem noch etwas hinzu zu fügen? Vielleicht die Frage: Warum überrascht Benediktbeuren? Die Beantwortung dieser Frage führte nach 230 Jahren an dieser Stelle zu weit.  

Doch zurück zu mir. Auf meiner Karte, die ich mir von der Website des DAV herunter geladen und ausgedruckt habe, gibt es zwei Möglichkeiten, um zur Tutziger Hütte zu gelangen. Der eine Weg hat die Nummer 455, der andere 456. Welchen ich nehme, habe ich noch nicht entschieden. Da man auf meiner ausgedruckten Karte nicht sehr genau erkennen kann, wo der eine und wo der andere Weg beginnt, will ich den nehmen, dessen Anfang ich zuerst erreiche. Doch zunächst sehe ich eine Bank. Sie steht im Schatten. Leider ist sie schon besetzt. Zwar wäre für mich noch Platz, doch der junge Mann, der dort sitzt, hält eine Zigarette in der Hand. Mit Rauch will ich mir mein einfaches Mittagessen nun doch nicht verderben lassen und so gehe ich weiter. Ich bin nun doch schon etwas hungrig und würde gern etwas trinken. Die nächste Bank ist unbesetzt. Sie steht zwar in der prallen Sonne, doch darauf kann ich nun doch keine Rücksicht mehr nehmen. Ich reibe meine freien Körperstellen mit Sonnenmilch ein und trinke einen Becher Ayran. Von der Semmel schaffe ich nur die Hälfte. Ich habe wohl meinen Hunger überschätzt. So war doch gut, dass ich in keinen Gasthof mehr einkehren konnte.  

Um 15:15 Uhr stehe ich vor der Entscheidung: 455 oder 456. Ich wähle den mit der höheren Nummer. Nicht, weil es der kürzere sein soll (Zweienhalb gegen zweidreiviertel Stunden) sondern weil er in meiner Beschreibung als der schattigere bezeichnet wird. Mit den Zeitangaben ist das auch so eine Sache. Dazu später mehr. Mehr als eine Stunde halte ich mich nun in Benekiktbeuern auf und endlich beginnt die „richtige“ Wanderung.

Der Weg ist mehr eine Schotterstraße als ein Wanderweg, aber er ist schattig, wie versprochenen, und verläuft parallel zum Lainbach. Das Rauschen des Wassers hat etwas erfrischendes, das gut tut bei dieser Hitze. Mir kommen mir einige Wanderer und ein paar Bergradfahrer entgegen. Die einen grüßen, die anderen fahren oder laufen mit gesenktem Kopf stumm vorbei, so dass auch ich auf einen Gruß verzichte. Ein einzelner Radfahrer schiebt sein Gefährt, es hat einen Platten. Ich drücke mein Mitgefühl aus, er sieht sein Missgeschick gelassen: „Kommt halt manchmal vor.“  

Des öfteren lege ich eine kurze Pause ein, trinke einen Schluck Wasser oder beiße in den Rest meiner Schweins-bratensemmel. Vor einer Bank stehend denke ich kurz nach, ob ich es wagen solle, mich hin zu setzen. Sie steht, leicht nach vorne geneigt, vor einem gewaltigen Felsbrocken, der so aussieht, als könne er jeden Moment weg rollen und alles, was ihn im Wege steht,  gnadenlos zermalmen. Doch ein Blick nach oben beruhigt mich: Eine ausgewachsene Tanne ragt aus dem oberen Teil des Felsens empor. Es erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich, dass sich der Felsbrocken in den nächsten Minuten in Bewegung setzen wird und so nehme ich Platz und einen kleinen Imbiss.

Was mich ab uns an befremdet: Auf dem Wegweiser zur Hütte steht  beispielsweise 1,5 Stunden. Ich laufe fünfzehn Minuten und was steht auf dem nächsten Wegweiser? Genau: 1,5 Stunden.  

Der Weg zur Hütte hat sich inzwischen auch verändert. Die Talstation der Lastenseilbahn zur Hütte liegt hinter mir und der Weg ist schmal, steil und steinig geworden. In mehreren Kehren führt er durch einen bewaldeten Hang nach einer halben Stunde zu einer Lichtung, von wo aus es nur noch wenige Minuten sind, bis die Hütte vor mir auftaucht.

Knapp fünf Stunden nach Ankunft des Zuges am Bahnhof von Benediktbeuern habe ich mein Tagesziel erreicht und betrete die Tutzinger Hütte. Aber von der Einsamkeit der Berge, die ich auf dem Weg hier her als so angenehm empfand, ist hier nichts mehr zu spüren. Viele Menschen aller Altersstufen sitzen an den Tischen, essen, trinken oder, wie Eltern mit ihren Kindern, spielen Karten oder Mensch ärgere dich nicht. Ich gehe zur Theke und melde mich mit dem Hinweis, dass ich gestern einen Schlafplatz reserviert habe, bei dem jungen Burschen an. Er schaut in einer Liste  nach, weist mir ein Bett im Viererzimmer mit der Nummer 1 zu und erklärt mir kurz, was es auf der  Hütte noch so zu beachten gilt: 

  • Trockenraum neben der Eingangstür
  • Betreten der Schlafräume nur mit Hausschuhen
  • Essen bis 20 Uhr bestellen, danach: Küche geschlossen
  • Getränke gibt es bis 23:30 Uhr
  • Um 24 Uhr ist Hüttenruhe
  • Frühstück gibt es von sieben bis neun Uhr

Ich glaube, das war des Wesentliche. Der junge Mann teilt mir noch die Nummer 120 zu, auf der in der Kasse alles gebucht wird, wofür ich bezahlen muss, und zwar dann, wenn ich mich zur Nachtruhe begebe. Auch schon das Frühstücksbüffet für morgen ist am Vorabend schon zu begleichen.

Als erstes aktive Handlung bestelle ich mir das Weizenbier, von dem ganz am Anfang schon die Rede war. Ich stelle es am Stammtisch ab und tausche im Schuhraum meid Wanderschuhe gegen Hausschuhe. Als ich mich auf der Bank vor meinem Bier niederlasse, fällt der zu Beginn erwähnte Hinweis des jungen Mannes, dass ich den Platz zu räumen habe. Ich verzichte auf eine Diskussion darüber, warum ich mich nicht an einen unbesetzten Tisch setzen könne, von dem ich mich sofort weg begeben würde, sobald ein anspruchsberechtigter Stammtischler kommt und setzte mich an einen anderen ziemlich langen Tisch, der etwas versteckt hinter einer Trennwand steht und an dessen Stirnseite lediglich zwei Personen sitzen. Nachdem ich Platz genommen habe wird mir auch sofort klar, warum der Tisch fast verwaist ist. Eine kleine Tafel steht auf ihm mit dem Hinweis: Reserviert – 18 Personen – Bundeswehr. Da kein Soldat in der Nähe zu sein scheint, bleibe ich sitze. Doch etwa fünfzehn Minuten später werde ich schon wieder vertrieben. Den Truppenangehörigen ist es auf der Terrasse offensichtlich zu kühl geworden und sie suchen die wohlige Temperatur des Gastraums. Ich nehme mein Bierglas und schaue mich nach einem Platz um. Zu den Männergruppen, den Frauengruppen, den gemischten Gruppen oder zu jenen oben erwähnten Eltern, die sich mit ihren Kindern an Brettspielen mehr oder weniger erfreuen, mag ich mich nicht setzen.  So nehme ich an einem Tisch Platz, an der – offensichtlich ein Paar – Zeitung liest und ein einzelner Mann in ein politisches Wochenmagazin vertieft ist. Auf einen weiteren Stuhl, der von den drei am Tisch sitzenden Personen als besetzt deklariert wird, nimmt einige Minuten später eine Frau platz, die offensichtlich nichts zu lesen dabei  hat und einfach nur dasitzt.

Der Tisch befindet sich direkt gegenüber der Essensausgabe. Alle paar Minuten, wenn ein Gericht zum Abholen bereit ist, schreit ein Küchenangestellter entweder den Namen des Gerichts, den des Bestellers oder einfach nur dessen Registriernummer durch den Raum. Da die Schreie meistens unverständlich sin, gibt sich oft erst beim zweiten Aufruf die oder der Hungrige zu erkennen und holt sein Essen im Eintausch gegen den Registrierungsbon ab.  

Fünf Minuten vor zwanzig Uhr festigt sich bei mir der Gedanke, dass ich mir vielleicht doch noch etwas zum Essen bestellen sollte, da es bis zum Frühstück doch noch sehr lange hin ist. Gedacht, getan. Ich bestelle mir einen Kaspressknödelsuppe. So eine Suppe habe ich zwar noch nie gegessen, der Name hört sich aber appetitlich an. Beim Ausrufen der fertigen Suppe geht es mir wie anderen vorher auch. Ich bin mir nicht sicher, ob ich meinen Name gehört habe. Verunsichert gehe ich zum Tresen und habe wirklich Glück. Mit dem Suppenteller in den Händen gehe ich zu meinem Platz zurück. Da entspinnt sich der leichte Ansatz eines Tischgesprächs mir als meine Sitznachbarn guten Appetit wünschen. Es zeigt sich, dass auch sie keine Kaspressknödel-Experten sind, da vermutet wird es handele sich bei den beiden Suppeneinlagen um Fleischpflanzern, was im nördlicheren Deutschland als Frikadelle oder Bulette bezeichnet wird. Nach der Aufklärung meinerseits erstirbt das Tischgespräch sofort wieder und ich löffle stumm meine Suppe. 

Nach dem Essen nehme ich mein Smartphone zu Hand und lese, weiterhin umgeben von stummen Tischnachbarn, in meinem E-book weiter bis mich um kurz nach einundzwanzig Uhr ein Anflug von Müdigkeit befällt. Ich verabschiede mich am Tisch, bezahle meine Rechnung einschließlich des Frühstücks am nächsten Morgen, schwinge meinen Rucksack auf die Schulter und suche im 1. Stock das Zimmer mit der Nummer 1. Drei der vier Betten sind  bereits mit Rucksäcken belegt. Ich wasche mich kurz, putze mir die Zähne und schlüpfe in den mitgebrachten Hüttenrucksack, ziehe mir eine der beiden bereit liegenden Decken bis unter die Nase und versuche einzuschlafen.

Um ungefähr 23 Uhr werde ich von der im Zimmer eingeschalteten Beleuchtung geweckt. Ein junger Mann begrüßt mich freundlich. Er will morgen schon vor sieben Uhr aufstehen, um seine dreißigtägige Wanderung vom Marienplatz in München zum Markusplatz in Venedig fort zu setzen. Auf seine Frage, was ich morgen vor habe, kann ich nur schlaftrunken antworten: „Mal sehen.“ Kurz danach erscheinen auch die beiden anderen Zimmer genossen. Es sind zwei Engländer, die aber außer einem „Hello“ nichts weiter von sich geben. Auch am nächsten Morgen, der Alpenüberquerer ist schon weg, sagen sie nicht viel. Ihre Antwort auf meine Frage, wohin sie heute wandern wollen, verstehe ich nicht. Ich vermute den Grund in den englischen Aussprache des deutschen Wanderziels. Nachfrage will ich nicht, die zwei wollen offensichtlich ihre Ruhe haben. 

Nach dem Frühstück – Käse, Wurst und Konfitüre waren neben Brot zu einem kleinen Buffet zusammen gestellt  und Kaffee gibt es unbegrenzt – gehe ich nach draußen auf die Terrasse. Dort baut sich vor mir die Benediktenwand auf, fünfhundert Meter senkrecht nach oben mit einem Kreuz am höchsten Punkt. Ich frage die Hüttenwirtin wie lange der Ausstieg dauert. „Da musst du ungefähr mit einem Drittel der Zeit vom Weg von Benediktbeuern zur Tutziger Hütte rechnen“, erhalte ich zur Antwort. Gut, denke ich mir, und rechne so mit einer Stunde Aufstieg und einer halben Stunde wieder runter. Dann wäre ich in neunzig Minuten wieder hier. Das geht ja wohl auch ohne Verpflegung. Da kann ich mir den schweren Rucksack ersparen und frage die Wirtin, ob ich ihn auf der Hütte lassen könne. „Ja, stell ihn im Schuhraum auf die Bank, nicht auf den Boden, da wird nachher geputzt.“ Ich folge ihrer Anweisung und lasse alles, was ich habe, bis auf mein Smartphone und meine Geldbörse, im Rucksack auf der Hütte stehen.

Kurz nach dem Verlassen der Hütte teils sich der Weg in einen westlichen und einen östlichen Aufstieg. Ich wähle – so wie ich es aus dem Supermarkt gewohnt bin – den Weg entgegen dem Uhrzeigersinn, den westlichen Aufstieg und werde dann auf der Ostseite absteigen. Nach einer halben Stunde keimen in mir Zweifel, ob es klug war, gar nichts zum Essen und Trinken mit zu nehmen. Zum einen ist es sehr heiß in der Sonne, zum anderen habe ich mich wohl in der Zeit verschätzt. In einer Stunde werde ich den Aufstieg nicht schaffen. Der Weg – manchmal steil, manchmal weniger steil – gewährt einen herrlichen Ausblick auf die umliegende Bergwelt, der umso beeindruckender wird, je höher ich komme. Ich lege öfters eine Pause ein, um zu fotografiere, und ärgere mich, dass ich nicht wenigstens etwas Wasser mit genommen habe.

Dann überholen mich drei Wanderer, zwei Männer und ein kleiner Junge. Einer der beiden Männer sieht, dass ich keinerlei Verpflegung dabei habe. Er bleibt stehen und reicht mir seine Wasserflasche: „Trink aus, ich habe noch eine zweite dabei.“ Dankbar leere ich die noch halb volle Flasche. „Schön langsam trinken“, sagt er zu mir und macht mir ein schlechtes Gewissen mit dem Hinweis, das bei Flüssigkeitsmangel ganz schnell der Kreislauf versagen könne. Bevor er  weitergeht, um seine beiden Mitwanderer einzuholen, reicht er mir noch zwei Stücke Traubenzucker und einen Energieriegel. Ich bin gerührt über so viel Hilfsbereitschaft. Aber ich kann mich revanchieren. Als ich weiter gegangen bin, sehe ich nach einigen Minuten eine Trinkflasche auf dem Weg liegen. Die hat bestimmt mein Samariter verloren“, denke ich mir, hebe sie auf und nachdem ich dann endlich den Gipfel erreicht habe (ich bin nun schon fast zwei Stunden unterwegs), halte ich sie ihm entgegen. Zum Dank erhalte ich weiteren Traubenzucker. Neben den dreien haben auch noch zwei Frauen mit einem Mädchen und einem Jungen den Gipfel erreicht.

Der Ausblick vom Gipfel ist überwältigend. Ich kenne nicht die Namen der anderen Berge, die ich bei dem 360°-Rundumblick sehe, habe auch keine Karte dabei, um sie zu erkunden. Allein der Blick genügt. Was ich erkenne, das sind der südliche Teil des Starnberger Sees in nordwestlicher Richtung sowie der Kachelsee im Westen. Tief unten liegt die Tutziger Hütte, klein sieht sie aus von hier. Etwa fünfzehn Minuten später beginne ich mit dem Abstieg. Der Weg ist hier viel steiler und viel steiniger als beim Aufstieg. Viele Wanderer kommen mir entgegen, einzeln, paarweise oder in Gruppen. Teilweise sind am Rand Metallseile zu fest halten gespannt. Für der Abstieg benötige ich mehr als eine Stunde. Am Ende kommen mir eine junge Frau und ein Mann entgegen, vielleicht Tochter und Vater. Sie laufen barfuß. Ich stelle mir vor, wie unangenehm es sein muss, wenn man auf einen spitzen Stein tritt und kann mir nicht vorstellen, dass sie es weit durch halten. 

Zurück in der Tutziger Hütte schaue ich zuerst nach, ob mein Rucksack noch im Schuhraum steht. Er tut es. Jetzt habe ich Hunger und Durst. Ich bestelle mir zunächst ein “Russ“, das ist halb Weißbier, halb Limonade. Auf der Speisekarte fällt mir das „Bergsteigeressen“ auf. Nur für Mitglieder des Alpenvereins, steht dort. Na, das scheint doch das richtige für mich zu sein.

Auf Nachfrage erhalte ich die Auskunft, es seien Speckknödel mit Sauerkraut und ich bestelle es. 

Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg ins Tal. An der Wegzweigung kurz hinter der Talstation der Lattenseilbahn wähle ich diesmal die Nummer 455. Der Weg wird als landschaftlich nicht besonders reizvoll beschrieben, doch ich kann diese Einschätzung nicht teilen. Er führt durch Wiesen, am Bach entlang und ich empfinde ihn als abwechslungsreicher als den gestrigen Weg nach oben.

Immer wieder drehe ich mich um und schaue hoch zur Benediktenwand. Fünfhundert Meter über der Tutziger Hütte. Dort oben warst du vor ein paar Stunden, denke ich. Kaum zu glauben. 

Der Weg nach unten zieht sich. Ich treffe nur wenige Wanderer. Auf der Forststraße, die ich gegen Ende mehrfach überquere, treten einige Radfahrer kräftig in die Pedale, um nach oben zu kommen. 

Als ich gegen achtzehn Uhr den Ortseingang von Benediktbeuern erreiche, bin ich heute ca. 500 Höhenmeter aufwärts und ca. 1200 Höhenmeter abwärts gelaufen. Nicht schlecht, für meine erste Tour als Mitglied im Deutschen Alpenverein, denke ich. Und es soll nicht die letzte bleiben.

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